Neuer räumt auch das letzte ter-Stegen-Argument ab (2024)

Torwart-Debatte abgeschmettert Neuer räumt auch das letzte ter-Stegen-Argument ab

Von Sebastian Schneider, Herzogenaurach 17.06.2024, 22:13 Uhr

Trotz aller Debatten: Manuel Neuer ist die Nummer eins der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Die kurze Torwartdebatte vor der Heim-Europameisterschaft ist vorerst abgeräumt, der 38-Jährige erklärt seine Sicht der Dinge.

Man braucht keine große Fantasie, um sich vorzustellen, wie sich Marc-André ter Stegen fühlen muss. Am Freitagabend im Keller der Münchner Allianz Arena öffnete sich ein ganz kleines Fenster in die Gefühlswelt des 32-Jährigen. Der Ersatztorwart war einer der ersten, der den Weg in den Mannschaftsbus suchte, sein Gesichtsausdruck stand im Kontrast zur allgemeinen Freude der anderen DFB-Stars nach dem geglückten 5:1-EM-Start gegen Schottland.

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Die Ursache dafür kann alle möglichen Gründe haben, vielleicht war er auch einfach in Gedanken woanders, aber: Ter Stegen hat es in der Nationalelf wirklich nicht leicht und seine Geschichte wird vor jedem Turnier wieder neu erzählt. In 99 von 100 Mannschaften würde der Weltklassetorhüter den Stammplatz im Kasten innehaben. Das Blöde ist, dass das DFB-Team ausgerechnet die eine Mannschaft ist, in der er nur die Nummer zwei ist. Auch diese Heim-Europameisterschaft wird der Rückhalt vom FC Barcelona im Sitzen verfolgen, neben den anderen Auswechselspielern. Keines seiner 40 Länderspiele absolvierte er bei einem großen Turnier (der Confed-Cup 2017 zählt nicht).

Der Grund dafür, dass sich diese Statistik wohl auch so schnell nicht ändern wird, kommt am frühen Nachmittag ein wenig zu spät zur Pressekonferenz im DFB-Quartier. Manuel Neuer (Länderspiele bei acht Turnieren) räuspert sich zunächst und spricht dann davon, wie schön es gewesen sei, nach dem furiosen 5:1-Auftakt den anderen EM-Teams zuzuschauen. Ein bisschen herunterfahren, ein bisschen lockeres Trainieren, bevor es gegen Ungarn am Mittwoch geht.

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Viel besser hätte der EM-Auftakt gegen Schottland für ihn nicht verlaufen können. Neuer bekam keinen einzigen Torschuss auf den Kasten, nur das Eigentor von DFB-Innenverteidiger Antonio Rüdiger. Der 38-Jährige kam auf nur 15 Ballkontakte während der gesamten Spielzeit, 90 Prozent seiner Pässe kamen auch an. Für eine mögliche Torwartdebatte lieferte es keinerlei neue Erkenntnisse - weder positiv noch negativ.

Dabei hatte es das im Vorfeld der Heim-EM erstmals seit längerer Zeit wieder gegeben: Diskussionen um den Schlussmann. Neuer kam nach seinem schweren Beinbruch überraschenderweise wieder zurück. Doch vor allem im Saisonendspurt hinterließen seine Auftritte beim FC Bayern und in der Nationalelf mehrfach Fragezeichen. Zwar hielt er immer wieder Weltklasse, aber: hier eine seltsame Nicht-Parade gegen Hoffenheim, da ein verbockter Chip-Ball gegen die Ukraine. Gegen Griechenland griff er daneben, sein Patzer hatte auch noch den Rückstand zur Folge. Ungewöhnlich für Neuer, den man seither mit einer leichten Angespanntheit beobachtet.

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Neuer selbst sagt, er habe die Debatte, die vor allem von außen geführt wird, auch selbst von dort betrachtet: nämlich "eher von außen". "Ich habe mir nichts durchgelesen", erklärt der 38-Jährige. Stattdessen das Übliche: Er habe die Analyse mit den Verantwortlichen gemacht, Bilder betrachtet. Und sie hätten gemeinsam festgestellt: Das Vertrauen zwischen Team, Trainern und ihm stimme noch.

Und dennoch, normalerweise wären die Wackler genug Argumente zumindest für eine kleine Torwartdebatte gewesen - erst recht, wenn der zweite Schlussmann ter Stegen heißt. Der Ersatzmann ist beim FC Barcelona unumstritten, wurde dort einmal "Messi mit Handschuhen" getauft. 2023 wurde er Spaniens Fußballer des Jahres - nicht Torhüter des Jahres, sondern Fußballer des Jahres. Seine statistischen Werte waren in der vergangenen Saison besser als die von Manuel Neuer. In der Liga heißt das: prozentual mehr abgefangene Flanken, mehr abgewehrte Schüsse, eine bessere Passquote.

Auch Statistiken spielen keine Rolle

In einer Fußballwelt, in der alles vermessen wird und Statistiken mittlerweile auch auf den Trainerbänken eine Rolle spielen, könnte ja immerhin das ein Argument sein, oder? Wenig überraschend sieht Neuer das nicht so, sogar ganz im Gegenteil. "Für mich sind die Bilder spannend und nicht die Statistiken, weil jede Situation einzeln bewertet werden muss", sagt er. Und: "Deshalb, glaube ich, kann man die Statistiken nicht als Maßstab nehmen, dafür einen Torwart zu bewerten." Rums, auch das letzte ter-Stegen-Argument zertrümmert.

Der nimmt seine Rolle dagegen zähneknirschend hin. Am Anfang der EM-Vorbereitung erklärte ter Stegen noch, dass es keine angenehme Situation sei. "Aber der Trainer hat eine Entscheidung getroffen. Die respektiere und akzeptiere ich, auch wenn ich anderer Meinung bin", sagte ter Stegen da. Unter den Torhütern sei das Verhältnis gut, führte er weiter aus. "Das hat nichts mit Manu zu tun, wir haben die gleiche Position. Aber es hat auf persönlicher Ebene nichts mit ihm zu tun. Wir haben ein gutes Verhältnis. Auch wenn wir um das gleiche Ziel kämpfen, heißt es nicht, dass ich ihn nicht mögen würde."

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Doch außer ter Stegen gibt es im DFB-Lager niemanden, der eine ernsthafte Torwartdebatte überhaupt im Entferntesten in Erwägung zieht. Bundestrainer Julian Nagelsmann würgte schon früh deutlich ab, auch Nationalmannschaftsdirektor Rudi Völler schaltete sich ein, um jede Debatte zu beenden. Denn Neuer hat tatsächlich einen Vorteil: sein Ansehen bei Spielern und dem Trainerteam. In den Partien sieht man ihn immer wieder zu Nagelsmann rennen und mit ihm diskutieren, wenn der Ball mal länger nicht im Spiel ist. Auch wenn nach seiner Verletzung der Kapitän İlkay Gündoğan heißt: Neuers Wort ist immer noch wichtig.

Und so bleibt ter Stegen tatsächlich nur eine Hoffnung. Neuer ist mittlerweile 38 Jahre alt, da ist die Frage, ob die Heim-EM sein letztes Turnier ist, ganz natürlich. Der Bayern-Keeper ließ die Antwort offen, er werde sich noch Gedanken machen, sagte er. Bei der Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko wäre er dann 40 Jahre alt, es wäre dann sein neuntes Turnier und ter Stegen bliebe weiterhin bei null. Vorher gibt es aber noch ein paar Spiele bei der Heim-EM, vielleicht liefern die neue Erkenntnisse in der Torwartdebatte.

Neuer räumt auch das letzte ter-Stegen-Argument ab (2024)

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